Klarstellung der Islamischen Gemeinde Marburg

Sehr geehrte Damen und Herren,

Liebe UnterstützerInnen und FreundInnen der Islamischen Gemeinde Marburgs,

Assalamu aleikum – Der Friede Gottes sei mit Ihnen,

im Jahr 2018 möchten wir gerne mit Ihnen gemeinsam die Einweihung unseres neuen „Marburger Kultur- und Bildungszentrums mit Moschee“ als Stadtfest feiern, zu dem alle BürgerInnen eingeladen sind. Wie Sie aus früheren Mitteilungen und Veranstaltungen wahrscheinlich schon wissen, handelt es sich um eine Moschee, deren Konzept nicht nur architektonisch auf Transparenz und Offenheit basiert. Mehr zum Bauwerk und zum Konzept finden Sie auf unserer Website: www.ig-marburg.de

In Marburg blicken wir auf einen langjährigen fruchtbaren Dialog der Religionen und eine ebenso konstruktive Kooperation mit der Stadtgesellschaft und zahlreichen zivilgesellschaftlichen Organisationen zurück. Teilweise sind daraus gute persönliche Kontakte und auch Freundschaften entstanden. Um so mehr trifft es uns, in den letzten Monaten durch Pressemeldungen oder im Internet mit – oft anonymen und/oder auf Hörensagen basierenden – Behauptungen und Verdächtigungen konfrontiert zu werden, die jeglicher Grundlage entbehren. Um eine Gefährdung unserer guten Beziehungen zu verhindern, möchten wir solchen Verunglimpfungen mit einer Klarstellung entgegentreten:

Die Islamische Gemeinde Marburg ist kein Mitglied der Muslimbruderschaft. Eine Assoziation stand auch zu keiner Zeit zur Debatte. Wir leben in Marburg, hier arbeiten wir, hier beten wir. Unser Lebensmittelpunkt ist Marburg. Dieser Stadt fühlen wir uns verbunden und darüberhinaus Deutschland und Europa. Wir haben keinerlei internationale Verbindungsverflechtungen zu irgendwelchen (muslimischen) Organisationen im Ausland und streben diese auch nicht an.

Im Gegenteil. Wir haben uns als Islamische Gemeinde Marburg e.V. im Jahre 2010 neu gegründet, um eine neue Moschee für Marburg zu errichten. Diese Konstituierung war direktes Ergebnis des „Runden Tisches Integration“, der im Jahre 2008 durch den damaligen Oberbürgermeister der Stadt Marburg einberufen wurde. Im Jahre 2009 wurde eine Integrationsvereinbarung unterzeichnet und eine Arbeitsgruppe mit der Konzeption eines Moscheebaus beauftragt, in der alle Parteien der Stadt Marburg, verschiedene muslimische Vereine, die Evangelische und Katholische Kirche sowie die Jüdische Gemeinde mitwirkten.

Ganz absichtsvoll wurde demnach ein neuer Verein gegründet, der von MuslimInnen unterschiedlicher Herkunft, unterschiedlicher Hintergründe und unterschiedlicher Rechtsschulen getragen wird, die alle eines verbindet: dass sie eine enge Verbundenheit zu Marburg und zu ihrer Lebenswirklichkeit hier in Deutschland und in Europa haben. Diese Form der Gründung einer unabhängigen Moschee, die eine bedeutende Anzahl Marburger MuslimInnen vertritt, ist beispielhaft für die Offenheit ihres Trägervereins – und dafür, dass Marburger MuslimInnen neue und transparente Wege suchen und finden, ihr religiöses Leben zu organisieren.

Viele der uns vorgeworfenen Anschuldigungen beziehen sich offensichtlich auf den Verein „Orientbrücke Marburg e.V.“, der aktuell die erste Marburger Moschee im Marbacher Weg betreibt, und der bis vor einigen Jahren im Verfassungsschutzbericht des Landes Hessen erwähnt wurde. Es gibt aber sehr gute Gründe, warum der Verfassungsschutz diese Einschätzung offensichtlich geändert hat. Näheres dazu erfahren Interessierte sicherlich beim Verein direkt.

Wir möchten nochmals betonen und festhalten, dass wir

  • ein neu gegründeter Verein mit einer sehr heterogenen Mitgliedschaft sind.
  • kein Mitglied der Muslimbruderschaft sind und / oder waren.
  • uns als Religionsgemeinschaft verstehen, welche die Interessen einer bedeutenden Zahl der ca. 5.000 Marburger MuslimInnen mit über 50 Migrationshintergründen vertritt, und sich im Austausch mit anderen politischen, gesellschaftlichen und religiösen Institutionen in Marburg für eine friedliche Koexistenz auf Augenhöhe einsetzt.
  • die Gleichberechtigung von Frau und Mann achten. Frauen wie Männer sind bei uns in allen Ebenen der Gemeindearbeit willkommen und aktiv.
  • im Bereich der Jugendförderung und in der Unterstützung bei der Identitätsfindung junger Mädchen und Jungen einen besonderen Schwerpunkt unserer Arbeit sehen. Hier zeigen wir, dass Deutschsein und Muslimsein einander nicht ausschließen und dass dies auch aus islamisch-theologischer Perspektive sehr gut begründbar ist.
  • und die Marburger MuslimInnen uns seit Jahrzehnten für ein friedliches Zusammenleben in unserer gemeinsamen Heimat, dem schönen Marburg, einsetzen.
  • uns ohne Wenn und Aber zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland und der freiheitlich demokratischen Grundordnung bekennen.
  • keinen Alleinvertretungsanspruch für MuslimInnen in Marburg erheben. Wir respektieren andere muslimische Vereinigungen in der Stadt sowie MuslimInnen, die sich nicht organisieren wollen.
  • andere Glaubensgemeinschaften und Menschen, die sich keiner Religion zugehörig fühlen, sehr schätzen und mit ihnen kooperieren, u. a. im „Runden Tisch der Religionen der Stadt Marburg“.
  • einen guten und engen Dialog mit der Marburger Jüdischen Gemeinde sowohl auf Leitungsebene als auch zwischen Gemeindemitgliedern pflegen. Wir distanzieren uns unmissverständlich von Antisemitismus und Verunglimpfungen unserer jüdischen Geschwister in Marburg und überall auf der Welt.
  • Unsere Position im Nahost-Konflikt als Gemeinde entspricht im Detail den Forderungen der Vereinten Nationen (UNO). 

Wer uns besucht, wer uns begleitet, wer uns kennt, weiß dies – und weiß, dass (nicht nur, aber besonders) unsere jungen Mitglieder sich hier beheimatet fühlen, ihre Zukunft hier sehen, und selbstverständlich die Grund- und Menschenrechte sowie unser Grundgesetz als gemeinsame Grundlage unserer Gesellschaft (er)achten.

Ganz klar distanzieren wir uns von Gewalt und sonstigen radikalen Vorstellungen, die zum Teil mit dem Islam legitimiert wurden und werden und die der friedlichen Koexistenz von Menschen verschiedener Glaubensrichtungen und Weltanschauungen entgegenwirken.

Vielmehr sehen wir uns einer islamischen Sozialethik verpflichtet, in der Religion als Lebensanker dienen kann, und nach der das eigene Leben in friedlicher Koexistenz und in gegenseitiger Verantwortung für MitbürgerInnen jeglicher Weltanschauung gestaltet werden muss. Maßgeblich ist für uns u. a. folgender Koranvers, in welchem als Zieldimension der Erschaffung des Menschen das gegenseitige Kennenlernen genannt wird:
„Ihr Menschen, wir haben euch aus Mann und Frau erschaffen und euch zu Völkern und Stämmen gemacht, damit ihr einander kennen lernt!“ (49/13) sowie der Hadith (Ausspruch des Propheten Mohamed sas): „Am Besten von euch ist, wer den Menschen am nützlichsten ist.“ (bei Bukhari überliefert)

Wir bedanken uns ganz herzlich für Ihre bisherige Unterstützung und hoffen auf eine weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit für unser Marburg.

Auf ein Wiedersehen spätestens bei der Eröffnungsfeier!

Mit friedlichen Grüßen – Salam

Priv. – Doz. Dr. med.
Bilal Farouk El-Zayat
Vorsitzender